Die Wundertüte
Vor langer Zeit, vielleicht im Jahre 1990, räumte ich mein damaliges Kinderzimmer auf. Unter der Heizung lag ein Plastikkoffer, den ich seit mindestens 1988 nicht mehr angerührt hatte. Er war schwarz und unheimlich. Ich riss den Koffer auseinander und es fielen - neben allerlei buntem Schnickschnack - kleine, tote Spinnen heraus.
Ich war entsetzt.
Da hatte eine verantwortungsbewusste Spinnenfamilie ihr Eigenheim in meinem Koffer eingerichtet und kam dabei leider um.
Mittlerweile schreiben wir das Jahr 2004, ich befinde mich an der Ostküste der USA und Spinnen in meinem Haus sterben immer noch auf grausame Weise. Auf Grund schweinebratendicker Spalten unter allen Türen ist es für Insekten und Krabbeltiere ein Leichtes, mein Reich zu entern und sie alle erfasst der Staubsauger oder mein Mitbewohner.
Die USA überrascht nicht nur mit Türspalten und Tierbesuchen.
Neulich stand ich im Supermarkt in der Gemüseabteilung. Ich wusste nicht so recht, für welchen Salat ich mich entscheiden sollte, als es plötzlich donnerte. Direkt vor mir blinkten Lichter, ein Gewitter wurde imitiert und wenige Sekunden später nieselte ein feiner Sprühregen über alle Salatköpfe, Gurken und Möhrchen.
Das Unwetter dauerte etwa eine Minute und ich war die Einzige, die mit offenem Mund vor dem Gemüse stand und einem hausgemachten Supermarktsturm zuschaute.
Wenn ich nicht gerade einkaufen bin, gehe ich oft einer beruflichen Tätigkeit nach. Dabei sitze ich in einem Büro, was aber eher einer schockgefrosteten Eiskunstlaufhalle gleichkommt. Tagtäglich stellt meine Chefin die Klimaanlage auf Minusgrade, lässt alle zehn Ventilatoren laufen und verursacht damit einen dauerhaften Winter. Dies wird mir leider immer wieder zum Verhängnis, da normale Temperaturen außerhalb des Hauses runde 35 Grad betragen und man bei Zuhilfenahme des klaren Verstandes bei solchen Umständen nicht automatisch zur Winterjacke greift.
Auch im Fitnessstudio (ja, lieber Leser, ich bin jetzt bei einem Fitnessstudio angemeldet!) kleide ich mich unpassend. Meine Auswahl an sportlichen Outfits befindet sich auf einem konstanten Nulllevel.
Um mich herum radeln und joggen Männer und Frauen einwandfrei eingekleidet, während ich eine alte Adidashose aus dem Hut gezaubert habe und wenigstens ein bisschen nach "Sport" aussehe.
Überhaupt diese ganzen Menschen auf dieser Insel.
Ich bin auf einer reichen Insel gelandet, Menschen hier fahren einen Mercedes, einen BMW und mindestens drei Boote. Sie spielen Golf, trinken Champagner am Strand und beschweren sich über farbige Einwohner, die alle faul sind und den ganzen Tag nur in der Gegend rumstehen, während sie auf einen Scheck vom Sozialamt warten.
Diese reichen Menschen fahren manchmal in fremde Städte und machen dann Aussagen wie "Also mit dem BMW fahre ich nicht auf die Interstate, das ist doch gefährlich und außerdem ist das Auto viel zu klein". Oder sie sagen: "Unser Boot ist kaputt. Ich weiß nicht, was ich am Wochenende machen soll. Das wird das schlimmste Wochenende seit sechs Jahren" und "Also der Supermarkt, in dem Du immer einkaufst, den finde ich komisch. Da waren nur Schwarze".
Aber es gibt auch Dinge, die mich positiv überraschen.
So besitzt mein Computer an meiner Arbeitsstelle nicht nur eine "Pause"-Taste, sondern auch eine für "Schlafen" und "Aufwachen". Als ich diese Tasten erstmals besichtigte, benutzte ich sie sofort in der Hoffnung, dass ich jetzt gleich einschlafe oder meine Chefin um die Ecke biegt und mir eine Pause bis zum nächsten Tag anbietet.
Leider geschah rein gar nichts.
Außerdem nahm sich ein netter Bekannter ein Herz und besorgte über einen Freund zwei Flaschen in Deutschland gebrautes Bier. Vielleicht konnte er mein Gejammer einfach nicht länger ertragen.
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