Juni 19, 2007

“Travel is glamorous only in retrospect.” (Paul Theroux)

Die gute Nachricht zuerst: Es gibt wieder Nüsse im Flugzeug! Das jahrelange Brezelmonopol ist vernichtet worden.

Die schlechte Nachricht: Es gibt immer noch Fluggesellschaften, die ihren Job hassende Stewardessen jenseits der 40 beschäftigen.
Die besonders schlechte Nachricht: 38 Stunden vor Abflug nach Deutschland stellte ich fest, dass mein Reisepass hinfort war, MIA sozusagen. 
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Nach wildem Durchwühlen aller Schränke, aller Schubladen, aller Kisten und aller Taschen gab ich erst die Hoffnung und dann die Panik auf und rief morgens gegen drei Uhr die Notfallhotline des deutschen Konsulats in Miami an. Da alle Telefonleitungen tot waren, rannte ich zum gegenüberliegenden Waffle House, ein Schnellrestaurant, das angeblich keine Schlösser hat, weil es nie schließt. 
Der Nachtkoch lieh mir sein Telefon und stellte daraufhin die Jukebox auf ein ohrenbetäubendes Everybody have fun tonight. Aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen hörte ich nach vielen Versuchen trotzdem eine lebende Person am Telefon, die mir schläfrig und eher desinteressiert erklärte, dass ich sie leider umgehend besuchen müsse, und zwar zu den vollständig den amerikanischen Verhältnissen angepassten Öffnungszeiten von 08:30 bis 11:30 Uhr des Vormittags. 

Gegen halb vier Uhr morgens befand ich mich auf der Autobahn für Arme, der sogenannten Interstate, um 340 Meilen später in Downtown Miami anzukommen. Das grösste Highlight der Fahrt, abgesehen von völliger Übermüdung und daraus resultierendem Kaffeewahn, war ein urlaubendes Reh am Fahrbahnrand, welches sich nicht von riesigen Trucks oder meiner konstanten Geschwindigkeitsübertretung beeindrucken ließ und gemütlich frühstückte. Das Gras am Abgrund schmeckt immer am besten.

Auf dem Konsulat sprachen alle spanisch und ich war mir vorübergehend nicht mehr sicher, ob Mexiko mittlerweile deutsche Auslandsbehörden übernommen hatte. An den Wänden hingen völlig sinnfreie Bilder mit der Überschrift „Kreativ in Mexiko Deutschland“, während man die Konsulatsbeamten in Kämmerlein 1, 2 oder 3 nur nach erfolgreicher Auslosung einer Nummer antreffen durfte. Vor mir kam also ganz Miami zum Zuge.

Gegen 12.30 Uhr mittags hielt ich einen Reisepassersatz in Händen und rannte durch die chaotische Stadt zurück zu meinem Auto. Die Rückfahrt dauerte gefühlte 300 und echte sechs Stunden, was besonders gut mit meinem Schlafentzug seit wiederum 38 Stunden zusammenpasste. 
Das urlaubende Reh vom Straßenrand hatte inzwischen eine Mietwohnung im Wald bezogen und stand nicht mehr auf Extreme Feeding, obwohl ich mich dieses Mal wirklich anstrengte, alles und jeden zu überfahren.

Servus USA. Ich mach jetzt erst einmal Pause von euch.

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