Oktober 10, 2006

"A careful driver is one who honks his horn when he goes through a red light."
(Henry Morgan)

Apropos! 
Ich habe das Rätsel gelöst, warum Amerikaner gern durch die Gegend bummeln, wenn sie sich in ihrem Auto befinden und von A nach B fahren: Sie lieben ihr Auto. Nein, nicht wie wir unser Auto lieben, mit samstags durch die Waschstraße fahren, verliebt über die Motorhaube streicheln und ab dem ersten Schneefall pünktlich die im eigenen Keller verstauten Winterreifen per Hand aufziehen. 
Amerikaner lieben ihr Auto, denn sie richten es ein wie wir unser Wohnzimmer einrichten. Der Fahrersitz ähnelt oft einem kuscheligen Couchsessel, welcher sich auf dreißig verschiedenen Ebenen automatisch verstellen lässt. Es gibt mindestens drei Becherhalter pro Passagier, gedacht für eimergroße Colaflaschen, Kaffeepötte und Erdbeerbananesmoothies. Automatikgetriebe machen das linke Bein überflüssig; man kann es getrost ein Weilchen aus dem Fenster hängen, wenn man der richtige Typ dafür ist. Klimaanlagen kühlen auf angenehme Minusgrade, das CD-Buch hängt locker von der Sonnenblende hinab, alle Fenster sind verdunkelt und liefern somit ein lauschiges, abgeschiedenes Ambiente zum Verweilen. Für jede zu erledigende Aufgabe gibt es einen Drive-Thru-Schalter; ob Bank, Pizza, Apotheke, Stromrechnung oder zwei Flaschen Wodka. Der amerikanische Hintern friert sich mit der Zeit am Autosessel fest und es wäre blanker Unsinn, das alternative Wohnzimmer zu verlassen. 

Und so schaukeln sie durch die Gegend, oftmals gleichgültig gegenüber farblichen Unterschieden an Ampeln, Geschwindigkeitsvorgaben oder egal welchen Verkehrsregeln, die selbst auf dem abgeschiedensten Feldweg im Swaziland angewandt werden. Der verträumte Amerikaner gurkt voran, behindert die übrigen Verkehrsteilnehmer und hat nur eine vage Vorstellung davon, wohin er möchte, wieso er sich beeilen sollte und warum er nicht blinkt, wenn er abbiegt. 


Mit der gleichen Grundhaltung funktioniert auch das Schulbussystem. Schulbusse sind unverkennbar gelb mit dreifarbiger Stadionbeleuchtung auf dem Dach und an den Seiten. Meist sitzt eine mit dem Ernst eines Bestatters dreinblickende, überdimensionierte Frau hinter dem Steuer und lenkt das Schiff durch die Nachbarschaften, um alle Schulkinder aufzulesen. Das läuft nach einem völlig ineffizientem Prinzip, dem sogenannten Fünf Meter-Prinzip (FMP):




Schritt 1: Bus hält. 

Schritt 2: Kind 1 steigt ein.
Schritt 3: Bus fährt fünf Meter weiter. 
Schritt 4: Bus hält.
Schritt 5: Kind 2 steigt ein.
Schritt 6 bis 100: siehe Schritt 1 bis 5

Überraschend, erwartet man doch von primär mit Burgern und Hersheys gemästeten Kindern, dass sie wenigstens ein paar Meter laufen, um aus dem Fünf Meter- ein Fünfhundert Meter-Prinzip zu machen. Glücklicherweise sind mir dicke Schüler ziemlich egal, was mir aber nicht egal ist, ist die Verkehrsregelung, immer dann zu halten, wenn der Bus seine Stadionbeleuchtung anschaltet, das Stoppschild ausfährt und ein einzelnes Kind einsteigen lässt. Man bummelt einem gelben, blinkenden Schulbus hinterher, viele lange Minuten und noch mehr Minuten lang. Unendlich lang, so lang, dass man schon vorsorglich beim Friedhof anruft, um sein Grab ausschaufeln zu lassen.

Liebes mobiles Amerika, ihr seid echt super und so, aber benutzt endlich das Gaspedal, den Blinker und nachvollziehbare Verkehrsregeln, solange wir uns die Straßen teilen. Bewegt euren Hintern aus eurem Wohnzimmer und lauft zum Bankschalter anstelle eure Schecks durch eine Röhre zum Bankangestellten durchblasen zu lassen. Schenkt euren Kindern Fahrräder und schafft das FMP ab, sonst platzt ihr eines Tages. Und, last but not least: Fragt nie wieder, ob es Straßen in Deutschland gibt, wenn gerade ein Mercedes Benz vorbeifährt. 

Einverstanden?

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