November 05, 2005

August 22, 2005

Tschörmanie-Tschäin im Ausland


Der Hinflug
Die Schlange vor der Sicherheitskontrolle entspricht dem Stauaufkommen zwischen München und Hamburg. Was vielleicht damit zusammenhängt, dass jeder seine Schuhe ausziehen muss und in Socken darauf wartet, dass sämtliches Handgepäck von Nagelscheren befreit wird.
Im Flugzeug neben mir sitzt ein dickes Fräulein und schmökert in einem Buch mit dem Namen „Ehefrau im Herzen Gottes“. Abgesehen von ihrer Idee, während des Fluges grob geschätzte achtzig Mal aufstehen zu müssen, überlässt sie mir fast immer großzügig die linke Armlehne.
Die BASF-Tönung „Pures Orange“ der Pasta passt hervorragend zur undefinierbaren, dickflüssigen Sauce und lässt mich mein Entsetzen vergessen, dass die Stewardess zuvor kein obligatorisches Reinpusten in die Vorzeigeschwimmweste demonstrierte.
Ein Mann spricht mich an, erklärt mir, warum man immer geladene Waffen im Haus aufbewahren muss und ist geographisch ein wenig durcheinander:

Jane: „They do that in Brussels.“
Mann: “Haha, yeah, these people from Switzerland!”
Jane: “Haha….hä?”

Warten auf den Anschlussflug
Handys und ihre Vorzüge scheinen erst gestern in den USA angekommen zu sein. Wildes Testen aller verfügbaren Klingeltöne, Dauerklingeln und Stundengespräche im Schreimodus sind nicht verpönt.
Alle Männer über 20 tragen braune Sandalen, ungeachtet der Kühlschranktemperaturen, hervorgerufen durch den großzügigen Einsatz aller Klimaanlagen des gesamten Kontinents.
Ich bin die Einzige auf dem gesamten Flughafen, die

a) wegen der Mischung aus CNN und klassischem Geblubber einer Oboe beinahe aus dem Fenster springt,
b) schmutzige Schuhe trägt,
c) keinen fruity-creamy-leckerschmecker-daswürdeichauchalsDeonehmen-Milchshake wie ein Wüterich in sich hineinsäuft,
d) weder Katze noch Hund in Käfigen mit Pferdeboxausmaßen mitnimmt.

Auch die Frage, wieso man auf einem amerikanischen Flughafen Zigaretten kaufen kann, diese aber nirgends, nicht einmal im Niemandsland, also wirklich gar nirgends rauchen darf, stürzt mich in tiefe Verwirrung. Was ist das? Quälerei des internationalen Flughafenbesuchers? Werden die Schilder „Smoking Area“ genau dann in den Keller gebracht, wenn ich süchtelnd herumschlendere?

Mein Haus
Morgens gegen halb sechs kräht für ein bis zwei Stunden ein Hahn, obwohl ich auf keinem Bauernhof wohne. Mehrere Suizidvögel, die wie ein Siemenswecker klinge(l)n, prügelnde Katzen und zwölfhundert Rasensprenger tun ihr übriges. Im großzügig verlegten Teppich sinkt man einen Meter ein und ich bin versucht, mich gleich dort schlafen zu legen. Setzt man sich auf das Sofa, schaut am Ende nur noch der Kopf heraus. Ich vermute, dass dort schon einige Leute verloren gegangen sind.

Am Strand
Zunächst fällt mir der rosafarbene Nazihaarpudel auf, der von einer Bikiniamazone auf und ab getragen wird, vorbei an der Grundausstattung eines jeden Standbesuchers der USA: Zelt, Stühle, Bollerwagen, zwei bis drei Kühltaschen, Tisch sowie einer Kiste Spielzeug für die unterforderten Kinder. Wie 1. Mai.
Fazit: Schlechte Ausrüstung meinerseits. Durst.
Plan: Ein Stuhl. Viel Bier. 

Der Wal-Mart
Das Wort „riesig“ umschreibt so ein wenig die Ausmaße. Mit dem Einkaufswagen überfahre ich ein paar alte Damen an der Rinderbratengefriertruhe und gebe insgesamt 100 Dollar für so allerlei Lebensmittel (Bier) und sonstige Dinge aus (Stuhl mit Dosenhalter).
Immer wieder laufen kleine Leute vorbei und raunen ein „How are you doing?“ in meine Richtung, was zu völliger Überforderung meinerseits führt. Am anderen Ende des Wal-Mart rollt eine Frau circa drei Kilometer entfernt mit ihrem Wagen an mir vorbei und schreit „Excuse me!“ in ein Megaphon.

Selbst schuld, Jane, selbst schuld.

August 10, 2005

August 05, 2005

Fragwürdig


Am Sonntag hüpfte ein Gürteltier ohne Ankündigung aus dem Gebüsch am Straßenrand. Ich überfuhr es sofort und es machte knackende Geräusche. Mein Freund erklärte mir, dass mein Entsetzen keinen Sinn mache, denn unter Mexikaner gelte das Gürteltier als Delikatesse. 
Ich stellte mir dann vor, wie ein Mexikaner an meiner Stelle erfreut angehalten und mit einem tragbaren Grill aus dem Auto gesprungen wäre. Abendbrot! 
Wir fuhren also weiter, es begann zu regnen und die Pfützen wurden so groß, dass es Sinn machte, ein Boot zu kaufen. Amerikaner bauen leider mit der falschen Gullitechnik, denn Gullis werden hier gern am höchstgelegenen Punkt der Strasse platziert. Trotzdem beeinflusst der Regen die Unfallstatistik der Amerikaner kaum, denn sie rasen sich auch so gegenseitig in den Kühler. 
Wir hielten an einer roten Ampel. Als sie auf grün schaltete, fuhr keiner los. Anscheinend blätterte jeder in einer Farbschablone. War wirklich grün? Oder doch heimlich rot? Was tun? Ich scheuchte die verwirrten Amerikaner auf, indem ich wild hupte. 
Später hielten wir bei McDonald’s, mein Freund musste Pommes essen. Aus Respekt vor dem verstorbenen Gürteltier blieb ich hungrig und lutschte am Ketchup rum. 
Als wir vor unserem Haus ankamen, bog meines Freundes Großmutter um die Ecke. Sie hielt eine Hundeleine in der einen Hand, einen großen Schlagstock in der anderen. Ich fragte sie, ob das nicht der Prügel für Angelausflüge sei, wenn man den gefangenen Fischen eins überziehen möchte. Sie lachte knarzig und erzählte eine ausufernde Geschichte über Tabletten und Überfälle, die ich nicht im geringsten verstand. Ich verabschiedete mich schnell Richtung Haus, machte ein paar Schnittchen und begann zu essen. 
Der Freund ging leer aus, den schickte ich zur Autowäsche. 
Guten Appetit.

Juli 06, 2005

Ihre Reisebroschüre


Liebe Amerikaner, 

um fahrerischen Unsicherheiten während Ihres Deutschlandbesuchs zu entgehen, hier die grundsätzlichen Regeln und Erscheinungen unserer liebsten Erfindung, der Autobahn.
Um dem geschichtlichen Ursprung gerecht zu werden, haben wir alle zwei Kilometer (das sind für Sie 1,24 Meilen) Lautsprecher aufgestellt, die Sie während der Fahrt mit Wagneropern beschallen. Wundern Sie sich nicht, sondern zollen Sie Respekt durch lautes Mitsingen. Weiterhin befinden sich unter jedem Lautsprecher Schilder mit Entfernungsangaben zum Obersalzberg sowie dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg. 

Die deutsche Autobahn besitzt – wie Sie es schon ahnten – keine Abfahrten, weshalb viele fahrtüchtige, aber ahnungslose Deutsche und Ausländer jahrelang kreiseln. Abfahrtmöglichkeiten ergeben sich nur in Ausnahmesituationen wie z.B. Fussballweltmeisterschaft, Oktoberfest. Folglich wird ein grosser Abfahrtenansturm für das Jahr 2006 erwartet. Bitte fernbleiben! Weiterkreiseln! 

Spurblockaden von Ihnen, liebe Besucher, sind verboten, besonders in Fällen wie: Teures Auto hängt an Ihrer Stoßstange. Rasen Sie notfalls ins nächste Gebüsch, um den reibungslosen Verkehr zu sichern. 
Sollte sich Ihr Auto langsamer als 150 km/h (das sind für Sie 93,2 Meilen pro Stunde) bewegen, öffnet sich automatisch der berüchtigte Strafschacht. Auto samt Fahrer fallen hinein und müssen ihre Reise am Ausgangspunkt fortsetzen. 
Die Strafschachtregel wird nicht angewendet in den folgenden Fällen: Stau. 

Sollte vor Ihnen ein Stau auftauchen, halten Sie rechtzeitig an. Sie sind verpflichtet zum Sonnenbad ohne Kleidung (Mai bis September) und Tombola (Oktober bis April). Tombolaregeln sind vor Beginn der Reise bei der Autobahnpolizei zu erfragen. Anwendung falscher Regeln führt zu einer Stauverdopplung. 

Um den Autobahnspass aufrechtzuerhalten, sind Bürger fremder Länder verpflichtet, eine Spassgebühr in Höhe von 50 Euro pro Reisende(r) zu zahlen. 
Die Spassgebühr wird um weitere 50 Euro erhöht, wenn Sie aus den folgenden Ländern stammen: Österreich, Libanon, Vereinigte Staaten von Amerika. 
Kreditkarten werden nicht akzeptiert, Zahlungen nur an den folgenden Raststätten möglich: Hüttener Berge Ost an der Hundebar. 

Wir freuen uns über Ihren Besuch und wünschen gute Fahrt! 
Auf Wiedersehen in Deutschland!

April 28, 2005

Wie es so geht


Heute weckte ich telefonisch meinen Freund, damit er sich anzieht und arbeiten geht. Mitten im Gespräch fragte er: "Hast Du noch Deinen Kopf?" 
Ich bedankte mich für sein Interesse und wollte wissen, seit wann er sich nach lebenswichtigen Körperteilen erkundigt. Mir wurde erklärt, ich sei letzte Nacht von einem Exekutionskommando verurteilt worden, jedoch hätte er mich retten können. Ich beendete die Konversation dann recht zügig und schickte ihn duschen. 

Neuerdings haben wir auch eine Katze. Der Freund wollte ihr unbedingt einen deutschen Namen geben. Da aber die deutschen Wörter, die er beherrscht (Kippenpause, Guten Appetit, Gute Nacht), unpassend erschienen, heißt sie nun Klingeling. 
Klingeling jagt in regelmäßigen Abständen durch das gesamte Haus, tötet gern kleine Salamander im Bad und ist taub, wenn sie keinen Hunger hat.

In wenigen Wochen beginne ich mein Studium an einem neuen College. Um dauerhaft um 2000 Dollar gesenkte Studiengebühren zahlen zu dürfen, muss ich sogenanntes Engagement zeigen. 
Engagement bedeutet, sich aus einer langen Liste verschiedene Aufgaben auszusuchen, die man Semester für Semester mit Freude anpackt. 
Mein Favorit ist natürlich "Bereite und stelle ein Gericht Deines Heimatlandes vor!". Das könnte man auch hervorragend mit der Projektstunde "Dein Heimatland: Wie es wirklich ist!" verbinden:
Schweinebratenkochend würde ich erklären, dass Deutschland eigentlich nur aus Bayern besteht und wir täglich völlig betrunken mit einem Bier in der Hand auf der A9 kreiseln. Wenn wir krank sind, verbringen wir drei Tage in einem Fass voller Sauerkraut und erscheinen anschließend ordentlich, pünktlich und in Lederhosen an unserer Arbeitsstätte bei BMW. An Wochenenden frönen wir unserem Hobby, dem Breznbacken. Wer nicht blond und blauäugig ist, muss nach Italien auswandern; um das deutsche Aussehen im Gleichgewicht zu halten, importieren wir notfalls aus Schweden. Im Volksmusiktakt marschieren wir in Fußballstadien, setzen Pickelhauben auf und werden Papst. 
Mahlzeit!

Februar 15, 2005

Frischer Wind


Mein Freund und ich überlegten uns neulich, sportlich zu sein. Man kann nicht immer biertrinkend auf dem Sofa liegen oder alternativ in einer Kneipe. Vor der Praxis bedurfte es ausführlicher Theorie.

Der Freund bezeichnet sich gern als „international player“, was daher rührt, dass ich aus Deutschland komme und er eben nicht. Umso mehr tendierte er zu internationalem Sport.
Fußball jedoch lehnte ich sofort ab. Fußball spiele man nicht, man schaue es biertrinkend auf dem Sofa, womit wir wieder bei der Ausgangssituation landeten.

Tennis klang schon besser, wurde vom Freund aber einzig und allein auf Grund der engen und kurzen Röckchen, die man mir im Sporthandel kaufen könnte, vorgeschlagen. Nach weiterer Überlegung sah ich uns ohnehin als Kreisligakopie Graf-Agassi biertrinkend auf dem Sofa liegen.

Gegen Radfahren fielen mir nur schleppend Gegenargumente ein. Vor allem, weil wir im einzigen Ort der USA wohnen, welcher jemals Fahrradwege hervorbrachte.
Ich fragte, ob das Radeln nicht völlig überschätzt werde. Diese Radelei führe letztendlich nirgendwo hin. Nur einmal im Jahr würden viele dünne, halbgebräunte Halbleichen in einem großen Kreis durch Frankreich radeln, ab und an hinfallen, sehr enge Kleidung tragen und bei der Siegerehrung einen Plüschhasen geschenkt bekommen. Es mache keinen Krach, gehe über absurd hohe Berge und am Ende scheitere alles am falschen Sattel. 

Ich schlug eine Abwandlung des althergebrachten Radsports vor: Zwei Teams von Radlern, alle schon völlig gerädert durch zu viele Radler, radeln aufeinander zu und wer als Erster vom Rad fällt, verliert und qualifiziert sich für ein Lanzengefecht zu Pferd. Das alles findet im Kolosseum zu Rom statt, Eintrittskarten sind völlig überteuert und mafiagesteuert…

Das tat der Freund natürlich als völligen Unsinn ab, zumal ich „Lanzengefecht“ nur unzureichend in die englische Sprache übersetzen konnte.

Unser Theoriegespräch wurde vertagt. Man kann es dem Freund eben nicht recht machen.


Januar 25, 2005

Kontra


Mein Freund und ich wohnen nun schon eine Weile zusammen und neulich machte er den Vorschlag, uns eine Bulldogge anzuschaffen. Ich war natürlich nicht begeistert, weil Hunde und ich oft einem Missverständnis unterliegen: Der Hund mag mich, aber ich mag den Hund nicht.
Man kann sich dann hinsetzen und das dem Hund erklären, aber Hunde hören mir nicht zu, sondern werfen sich auf den Rücken und warten darauf, dass ich kraulend über sie herfalle.

Für den Freund war das kein Argument.
Ich brachte den nächsten Ablehnungsbescheid: Man kann keine Bulldogge kaufen, nur weil die Bulldogge das Symbol seines Lieblingsfootballvereins ist. Zumal wir schon eine Porzellanbulldogge bei uns in der Küche stehen haben, die ich nicht verrücken darf (z.B. in den Schrank).

Dieses Mal zählte mein Einwand als Argument, jedoch nicht gegen einen Hund an sich, denn sein nächster Vorschlag war ein Pitbull, wahrscheinlich wegen dem „bull“ im Namen.
Ich versuchte einen radikalen Themenwechsel und schlug vor, anstelle eines Hundes einen Papagei zu kaufen. Ein Papagei stirbt erst nach uns, pinkelt nicht an jeden Pfeiler und spricht. Einem Papagei könnte ich notfalls erklären, dass ich ihn ablehne, ohne dass er sich wortlos auf den Rücken wirft, wie es der Hund tut.
Der Freund übersprang meinen Papagei völlig und freute sich riesig, dass wir im Frühjahr eine Bulldogge kaufen gehen.

Ich stellte mich dann in eine imaginäre Ecke und imitierte ein Telefon: Man wird eben manchmal überhört.